G enau 150 Jahre ist es im Herbst 2024 her, als der St. Ursenstift aufgelöst wurde und die Pfarrei und Kirchgemeinde St. Martin Zuchwil eigenständig wurden. Das verträumte Bauerndorf am Rande der vornehmen Stadt Solothurn ist zu einer grossen Industriegemeinde gewachsen und die kirchliche Gemeinschaft hat den vielen Menschen Heimat geboten. Eine fruchtbare Geschichte, die eine gute Fortsetzung sucht…
M it Blick auf die lange Geschichte der Gemeinde Zuchwil werden sich die einen denken: «Erst 150 Jahre?». «Bereits 150 Jahre?», denken die anderen – mit Blick auf die moderne katholische Kirche an der Hauptstrasse.
A n der Stelle, wo die heutige Pfarrkirche steht, stand vermutlich bereits im 8. Jahrhundert eine kleine Kapelle, die dem heiligen Martin von Tours geweiht war. Die völlige Eigenständigkeit der Pfarrei und Kirchgemeinde (gemeint ist mit letzterem die staatskirchenrechtliche Institution) wurde erst mit der Auflösung des St. Ursenstifts Tatsache, nämlich durch den Beschluss des Kantonsrates und die entsprechende Volksabstimmung im Herbst 1874.
D ie heutige moderne Pfarrkirche St. Martin ist im Jahr 1956 eingeweiht worden. Die alte Kirche ist zu klein geworden – angesichts der wachsenden Industriegemeinde. Die vielen Gastarbeiter aus Südeuropa waren zumeist römisch-katholischer Konfession.
Die Kirche war dabei immer auch zentraler Ort von Integration.
Die Pfarrei St. Martin lebt bis heute ganz wesentlich von den Menschen aus den verschiedensten Ländern der Welt, vielfältige Kulturen
finden beim gemeinsamen Feiern Heimat und Geborgenheit und schenken dem Pfarreileben vor Ort Vitalität.
N atürlich bleibt die Pfarrei nicht von den Kirchenkrisen und der Zurückdrängung religiöser Identität in der Gesellschaft verschont. Im Jahr 1974, also zum 100-Jahr-Jubiläum, zählte die Kirchgemeinde fast 5000 katholische Mitglieder. Heute sind es nicht mal mehr 2000, obwohl die Bevölkerungszahl von Zuchwil vergleichbar war.
D och Mitgliederzahlen sind nicht alles. Jede Generation versucht, die Zeichen der Zeit zu erkennen und Kirche vor Ort zu leben. Und das Pfarreileben in Zuchwil ist erstaunlich lebendig und strahlt über die Pfarreigrenzen hinaus.
D er Gottesdienstbesuch ist sehr gut und die ökumenische Zusammenarbeit geschwisterlich und pragmatisch.
Die Ministrantenschar gehört zu den grössten des ganzen Kantons, die diakonische Arbeit ist initiativ und ausgeprägter als je zuvor.
Die Kinder- und Familienpastoral erfreut sich grosser Beliebtheit und das Engagement der Freiwilligen ist ungebrochen.
A uch die Kirchgemeinde als demokratisch organisierte Körperschaft ist angesichts der schwindenden Mitgliederzahlen nicht
in Lethargie verfallen, ganz im
Gegenteil: Sie hat ein Umweltmanagementsystem – genannt «Grüner Güggel» – eingeführt,
ausserdem mit Blick auf die Zusammenarbeit im Pastoralraum viele Strukturen zukunftsfähiger und effizienter gemacht, junge und motivierte Mitarbeitende fördern und anstellen können und die Infrastruktur weiter auf Vordermann gebracht.
S eit 150 Jahren haben unzählige Menschen das Leben der Pfarrei und Kirchgemeinde Zuchwil getragen. Jede Generation auf ihre Weise. Es bewegt mich zutiefst zu wissen, dass so viele Leute sich mit Herzblut für die Gemeinschaft vor Ort engagiert haben. Ihnen verdanken wir so viel. Bis heute lassen sich Menschen mitreissen und bauen weiter auf diesem Fundament, das sich so viel Gebet und Tatkraft verdankt.
150 Jahre – Wenn das nicht ein Grund zum Feiern ist!
Pascal Eng, Pfarrer