Love Limits: Grenzen erkennen und sich schützen

Was tun, wenn die Partnerin oder der Partner mit Suizid droht, weil man sich trennen möchte? Wie reagiert man, wenn plötzlich intime Fotos von einem selbst im Internet auftauchen? Und wie geht man mit dem Druck um, endlich «Erfahrungen» zu sammeln, weil der Freundeskreis tuschelt?

Jugendliche stehen in der Pubertät vor einer Vielzahl an Fragen – viele davon drehen sich um Themen, über die selten offen gesprochen wird. Es sind Fragen, die zur sexuellen Entwicklung dazugehören, aber oft unbeantwortet bleiben. Gerade in dieser sensiblen Phase braucht es Vertrauen, um solche Themen überhaupt anzusprechen. Doch wo finden Jugendliche ein offenes Ohr? Wer nimmt sich Zeit für ihre Anliegen? Und wo können sie verlässliche Antworten finden?

Wissenschaftliche Studien zeigen: Die Gefahr sexueller Gewalt geht bei Jugendlichen oft von Gleichaltrigen aus. In der Schweiz haben 14 Prozent der Jugendlichen bereits Erfahrungen mit sexuellen Übergriffen gemacht – sie wurden zum Beispiel zum Geschlechtsverkehr gezwungen oder gegen ihren Willen an intimen Stellen berührt. Rund ein Drittel der befragten Schüler*innen hat bereits sexuelle Grenzverletzungen ohne Körperkontakt erlebt – vor allem im Internet. Häufig beginnen diese Grenzüberschreitungen im Kleinen, oft unbemerkt und ohne direkt als Gewalt wahrgenommen zu werden.

Grenzen klar kommunizieren
Um diesem Zustand entgegenzuwirken, setzen die Schulsozialarbeit und die Schulen gezielt auf Prävention und Aufklärung. Jugendliche sollen darin gestärkt werden, ihre eigenen Grenzen zu erkennen, sie klar zu kommunizieren – und sich in schwierigen Situationen Hilfe zu holen. Gleichzeitig wird ein Bewusstsein dafür geschaffen, wie schnell und unbemerkt Grenzüberschreitungen geschehen können – auch unter Gleichaltrigen.

Mit dem interaktiven Präventionsprojekt «Love Limits» von Kinderschutz Schweiz, leistet Zuchwil einen wichtigen Beitrag zur Gewaltprävention im Jugendalter. Das Angebot soll nicht belehren, sondern zum Nachdenken anregen, Diskussionen fördern und eine offene Auseinandersetzung mit Themen wie Konsens, Selbstbestimmung, sexualisierte Gewalt und digitale Grenzverletzungen ermöglichen. Eine ausgebildete Fachperson führt Kleingruppen durch sechs multimediale Stationen – sogenannte Foto­wände –, die verschiedene Aspekte von Liebe, Freundschaft, Sexualität und Gewalt behandeln. Dabei kommen nicht nur Gespräche in Gang, sondern auch Gedanken – und manchmal auch Gefühle.

«Love Limits» spricht alle Sinne an: Mit Bildmaterial, Hörstationen, Texten und krea­tiven Aufgaben werden Jugendliche dazu ermutigt, über ihre eigenen Erfahrungen, Gefühle und Grenzen nachzudenken. In Kleingruppen diskutieren sie beispielsweise, ob es in Ordnung ist, das Handy der Partnerin oder des Partners zu kontrollieren – oder wo sexuelle Belästigung beginnt.

Wer darf was – und wann?
Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf dem Thema Konsens: Wer darf was – und wann? Wie kommuniziere ich meine Grenzen? Und wie erkenne ich die Grenzen anderer? Auch die Hürden beim Hilfeholen werden thematisiert – etwa im Zusammenhang mit Gewalt in Beziehungen oder sexuellem Druck.

Durch die Kombination aus Wissensvermittlung, persönlichem Austausch und praktischen Übungen trägt «Love Limits» aktiv zur Prävention sexueller Gewalt bei. Und es sensibilisiert Jugendliche dafür, wie viel Stärke und Selbstbewusstsein es braucht, um in Liebesdingen den eigenen Weg zu gehen – und «Nein» sagen zu können, wenn es notwendig ist.

Anfang September fand die zweite Durchführung von «Love Limits» an der Oberstufe Zuchwil statt. Die Jugendlichen beteiligten sich aktiv, teilten persönliche Gedanken und hinterfragten eigene Vorstellungen. Besonders in Gesprächen über digitale Grenzverletzungen, Kontrolle in Beziehungen und den Umgang mit Intimität zeigte sich, wie präsent diese Themen im Alltag vieler Schüler*innen sind – und wie gross der Bedarf an Orientierung und sicheren Räumen für solche Gespräche ist.

Tobias Häberli

Weiterführende Infos: www.kinderschutz.ch



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