«Biodiversität ist mir wichtig»

Andi Steiner an der Arbeit in der «Naef-Unterführung». Bilder: Monika Frischknecht

Andi Steiner arbeitet seit über ­einem Jahr im Werkhof Zuchwil. Als gelernter Landschaftsgärtner ist er im Team der Fachmann für Pflanzen und Grün­flächen.

Jetzt, im Sommer, grünt und blüht es überall, die Pflanzen wachsen oft mehr und schneller, als es manchen lieb ist. In den Gärten brummen die Rasenmäher, und auch auf den öffentlichen Grünflächen muss gemäht werden. Doch macht es Sinn, jede Grasfläche alle paar Wochen durchgehend auf eine Höhe von wenigen Zentimetern über dem Boden zurechtzustutzen?

«Nein. Ich finde das nicht sinnvoll», sagt Andi Steiner bestimmt. «Wenn man eine Wiese mäht, bevor die Blumen absamen konnten, verhindert man, dass sie sich vermehren und ausbreiten können. Das ist gegen den Gedanken der Biodiversität, der in Zuchwil gross geschrieben wird.» Deshalb habe er sich auch, seit er vor rund 15 Monaten im Werkhof angestellt wurde, dafür eingesetzt, dass mit Bedacht gemäht wird.

So lässt man heute, wo es möglich ist, das Gras stehen, bis alle Blumen verblüht sind und Samen gebildet haben. Nur jeweils ein Streifen am Strassenrand wird gemäht. «So sieht es sauber aus, wir kommen mit der Wischmaschine bis ans Grün und wenn es regnet, hängt das Gras nicht in die Strasse hinaus», sagt der Landschaftsgärtner.

Mähen aus Sicherheitsgründen

Natürlich kann man nicht überall das Gras bis in den Herbst stehen lassen. Auf Spielplätzen zum Beispiel, oder auf den Sportplätzen bei den Schulhäusern. Und, je nach dem, auch auf den Inseln bei den Fussgängerstreifen. Dies aus Sicherheitsgründen: «Das Gras kann so hoch werden, dass man ein Kindergartenkind dahinter kaum mehr wahrnimmt. Deshalb müssen wir an solchen Stellen, trotz blühender Blumen, regelmässig mähen.»

Dass die Gemeinde Zuchwil einen Gärtner angestellt hat, ist relativ neu. Früher waren für die Pflege von Grünflächen, Bäumen und Sträuchern drei Gartenbaubetriebe dafür verantwortlich. Dann wurde in der Gemeindeverwaltung die Idee geäussert, dass man mit dem Geld geradesogut im Werkhof einen eigenen Gärtner beschäftigen könnte.

Gedacht, getan: Anfang April 2023 trat Andi Steiner die neu geschaffene Stelle an und ist seither im Werkhof-Team Ansprechpartner und Berater in allen gärtnerischen Belangen.

Eine Firma – die in Zuchwil ansässige Flury Gartenbau AG – ist allerdings auch heute noch für die Gemeinde tätig. «Um den ganzen Unterhalt zu stemmen, wären wir zu wenige. Die Leute der Firma Flury sind vor allem für den Baumschnitt, die Kreisel und bestimmte Rabatten zuständig», erläutert Swen Schärlig.

Den natürlichen Wuchs fördern

Seit die Pflege der Grünflächen in der Hand des Werkhofs ist, hat sich schon einiges im Dorfbild verändert – eben zum Beispiel die Wiesen und Inseln, auf denen das Gras länger stehen bleibt. Aber auch die Sträucher erhalten zum Teil nach und nach eine neue Gestalt. So hatte der Gartenbauer, der vorher für die «Naef-Unterführung» zwischen Schulhausstrasse und Aarmatt zuständig war, alle Sträucher als viereckige Hecke geschnitten. «Ich fördere lieber den natürlichen Wuchs einer Pflanze», sagt Andi Steiner und zeigt auf einen Haselstrauch, den er im Winter ausgelichtet hat und der nun ganz seinem Wesen gemäss in die Höhe schiessen kann. Bald wird er zu einem schönen, stattlichen Strauch heranwachsen. So will Andi Steiner allen Sträuchern wieder zu einer natürlichen Form zurück verhelfen.

Wo es möglich ist, sollen zudem neue Ruderalflächen entstehen, also offene Böden ohne Grasbewuchs – zum Beispiel Kies­flächen – auf denen sich Pionierpflanzen wie die Königskerze, der Mohn oder der Natternkopf ansiedeln können. Eine Idee wäre, die Flächen unter den Bäumen auf den Trottoirs freizuräumen. «So müssten wir sie viel weniger mähen, und mit den bunten Blumen wären sie ein echter Blickfang», ist Andi Steiner überzeugt.

Umdenken ist nötig

Wo welche Massnahme sinnvoll ist, bespricht der 46-Jährige vorgängig mit seinem Chef Swen Schärlig. «Manchmal braucht es einen Moment des Umdenkens», sagt dieser. «Wenn etwas immer auf die gleiche Weise erledigt wurde, ist es nicht immer ganz einfach, es plötzlich ganz anders zu machen.»

So viel zur Pflege und Förderung des Grüns. Was aber passiert mit Pflanzen, die unerwünscht sind?

Auch diese gibt es, wie Swen Schärlig bestätigt. Da sind beispielsweise Pflanzen, die aus Ritzen am Strassenrand hervorspriessen. Zarte Pflänzchen, die eine so ungeheure Kraft haben, dass sie den Strassenbelag aufbrechen können. «Mir als gelerntem Strassenbauer sind sie ein Dorn im Auge – ich habe das Gefühl, sie machen sozusagen ‹meine› Arbeit kaputt.» Diese Pflanzen werden zweimal pro Jahr mit 130 Grad heissem Dampf bekämpft. Die Maschine dafür schaffte die Gemeinde vor vier Jahren an. «Vorher wurden sie mit der Wischmaschine einfach abgerissen», sagt Swen Schärlig. «Das war natürlich längst nicht so effizient wie die Dampfmethode, weil die Wurzeln im Boden blieben.»

Neophyten

Ein grosses Thema sind auch die invasiven Neophyten – also der Japanische Stauden­knöterich, der Kirschlorbeer oder das Einjährige Berufkraut. «Auf öffentlichem Grund tun wir natürlich alles, um diese Pflanzen auszumerzen», sagt Andi Steiner. In diesem Bereich ist auch die Umweltschutzkommission sehr aktiv. Sie hat Gruppen gebildet, die sich jeweils um ein Gebiet kümmern –etwa den Bereich bei der roten Brücke, im Zelgli oder an der Emme. Die Werkhofmitarbeiter sind auf dem ganzen Gemeindegebiet aktiv. «Auf privatem Grund können wir allerdings nicht viel machen. Wir können die Leute zwar informieren und sie bitten, die Pflanzen zu entfernen, aber dazu zwingen können wir niemanden.»

Monika Frischknecht

Am Strassenrand wird nur ein 50 Zentimeter breiter Streifen gemäht.
Pflanzen, die aus Ritzen auf der Strasse wachsen, werden mit Dampf bekämpft.
Auf Ruderalflächen können sich Pionierpflanzen ansiedeln.
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