Seit drei Jahren wird an den Zuchler Schulen das Konzept der «Neuen Autorität» nach Haim Omer angewandt. Was bedeutet das?
Das Konzept Schule entwickelt sich stetig. Es wird komplexer und die alltäglichen Aufgaben in der Erziehung von Kindern und Jugendlichen stellen für Lehrkräfte und Eltern eine grosse Herausforderung dar. Dies kann zu einem Gefühl der Ohnmacht führen. Wie kann es gelingen, die Autorität der Pädagoginnen und Pädagogen wiederherzustellen, eine gute Lernatmosphäre zu schaffen, Kindern und Jugendlichen gegenseitigen Respekt beizubringen und für Sicherheit in der Schule zu sorgen?
Die «Neue Autorität» war die Antwort auf diese Herausforderungen, die der israelische Psychologe Haim Omer in seinem pädagogischen Konzept entwickelt hat. Das Konzept stellt einen Paradigmenwechsel dar – weg von Kontrolle und Macht, hin zu Präsenz, Beziehung und gewaltfreiem Widerstand.
Im Zentrum steht die Überzeugung, dass Autorität nicht durch Strenge oder Angst entsteht, sondern durch klare Haltung, Bindung und Standhaftigkeit. Lehrkräfte und Eltern müssen nicht «laut» oder «streng» sein, um respektiert zu werden – sie müssen präsent, zugewandt und verlässlich sein.
1. Präsenz
Die Autoritätsperson ist sichtbar, aktiv und ansprechbar. Sie zeigt Interesse und ist emotional wie physisch präsent im Leben des Kindes bzw. Jugendlichen.
2. Selbstkontrolle
Die Fähigkeit, in schwierigen Situationen ruhig und kontrolliert zu bleiben, ist zentral. Statt impulsiv zu reagieren, agiert man mit Bedacht und Souveränität.
3. Unterstützungsnetzwerk
Die Autorität wird nicht isoliert, sondern im Team oder sozialen Netzwerk ausgeübt – etwa mit anderen Eltern, Lehrkräften oder Bezugspersonen. Gemeinsam wird Verantwortung getragen.
4. Transparenz
Das eigene Handeln ist klar, offen und nachvollziehbar – für Kinder und das Umfeld. Regeln und Konsequenzen werden erklärt, nicht heimlich durchgesetzt.
5. Beharrlichkeit
Man bleibt dran, auch wenn es schwierig wird. Konsequenz und ruhiges Durchhalten sind entscheidend – statt aufzugeben oder sich provozieren zu lassen.
6. Wiedergutmachung
Der Fokus liegt auf Beziehungsreparatur, nicht auf Strafe. Fehlverhalten wird angesprochen, aber man gibt die Möglichkeit zur Wiedergutmachung und Versöhnung.
7. Gewaltloser Widerstand
Aggression wird nicht mit Gegengewalt beantwortet. Man nutzt klare, standhafte, aber gewaltfreie Massnahmen, um Verhalten zu verändern – etwa durch Ankündigungen, Vereinbarungen, Sit-In, Präsente Time-In / Time-Out und öffentliche Stellungnahmen.
Seit drei Jahren wird das Konzept mit Erfolg in den Schulen Zuchwil angewandt. Es gelingt zunehmend, in herausfordernden Situationen die Kontrolle zu behalten, die Erwartungen der Schule klar zu äussern und dennoch einen wertschätzenden und positiven Umgang zu pflegen. Durch die konsequente Umsetzung der «Neuen Autorität» konnten präventive Massnahmen gestärkt, Konflikte deeskaliert und Eltern besser eingebunden werden. Die Präsenz der Lehrkräfte im Schulhaus, ihr klares Auftreten und ihre Bereitschaft zur Beziehungsgestaltung hat dazu beigetragen, eine stabile und sichere Lernumgebung für die Schüler*Innen zu schaffen.
Tobias Häberli, Schulsozialarbeiter
Erfahrungsbericht aus dem Schulhaus Pisoni
Immer wieder kann in Klassen eine ungünstige Dynamik entstehen. Mehrere Schüler*innen sind in unterschiedliche Rollen verwickelt, was das Klassenklima nachhaltig beeinträchtigen kann. In meiner Arbeit habe ich positive Erfahrungen mit dem Konzept der Neuen Autorität nach Haim Omer gemacht, insbesondere in Prävention und Intervention bei Konfliktsituationen. Ich setze auf eine klare Kommunikation, unterstützt durch flankierende Massnahmen, wie:
• Informationsweitergabe an alle Eltern: Die Schulleitung informiert schriftlich über die Situation sowie über die gemeinsam ergriffenen Massnahmen von Schulsozialarbeit, Lehrkräften und Schulleitung.
• Einzelgespräche: Gesprächsangebote mit den betroffenen Schüler*innen, die in Kooperation mit der Schulleitung geführt werden. Verbindliche Vereinbarungen werden getroffen, die von Schüler, Eltern und Schulleitung unterzeichnet werden.
• Transparenz bei den Konsequenzen: Klare Kommunikation darüber, welche Massnahmen greifen, falls sich die Situation nicht verbessert.
Für mich als Schulleiterin ist es essenziell, dass die Kinder wissen, dass wir sie wertschätzen, ihr Verhalten jedoch nicht tolerieren. Das Konzept, Verhalten von der Person zu trennen, ist hierbei zentral. Es hilft uns im Team und den Schüler*innen, eine respektvolle Haltung zu wahren. Wir sprechen auf sachlicher Ebene (bezüglich Verhalten und Regeln), während wir gleichzeitig Mitgefühl zeigen. Es ist entscheidend, das Kind nicht als Ganzes zu bewerten, sondern nur sein Verhalten. Diese Differenzierung macht einen grossen Unterschied: Statt zu sagen «Du bist aggressiv», lautet die Formulierung beispielsweise: «In dieser Situation habe ich dein Verhalten als aggressiv empfunden.»
Dieses sogenannte «Neue Autoritäts»-Konzept fördert eine positive Beziehungsebene, stärkt das Vertrauensverhältnis und ermöglicht nachhaltige Verhaltensänderungen.
Denise Bolle, Schulleiterin Schulhaus Pisoni